Wie kann Empathie in Mitgefühl überführt werden?
Erkenntnisse der Empathie- und Mitgefühlsforschung
Die Empathie- und Mitgefühlsforschung unterscheidet zwei Wege, um sich zu verstehen: den kognitiven und den emotionalen Weg.
Bei der Empathie übernehmen Menschen unbewusst die Gefühle anderer. Sie gehen manchmal zu sehr in Resonanz und leiden mit. Grundsätzlich ist die Empathie, die überwiegend auf der „Insula“ repräsentiert wird, erstmal neutral. Werden wir jedoch vom Stress der anderen angesteckt, kommen Menschen in den „empathischen Stress“ und das Alarmsystem wird aktiviert. Dieser Zustand kann mit dem „empathischen Geiz“ enden. Die Menschen wollen vom Stressor nichts mehr wissen und zeigen sozial-inadäquate Verhaltensweisen und Kommunikationsmuster. Sie gehen in Rückzug, Blockade oder in Angriff.
Demnach kann zu viel Empathie ungesund und sogar unsozial wirken, wenn sie nicht in Selbstmitgefühl verwandelt wird. Gerade Menschen in sozialen Berufen sollten lernen, sich empathisch abzugrenzen und die Mitgefühlsareale zu aktivieren, um weniger zu leiden. Ohne Selbstmitgefühl ist kein Mitgefühl möglich. Die Veränderbarkeit wurde in diesen Tiefenarealen des Gehirns durch bewusstes Training schon nach sechs Wochen nachgewiesen². Eine höhere Plastizität wird durch ein längerfristig angelegtes Mitgefühlstraining gewährleistet. Werden wir jedoch von begeisterten Wohlfühlgefühlen anderer angesteckt, dann ist es die „empathische Freude“. Die Kollegin kommt mit guter Laune in die Einrichtung und steckt alle anderen an.
Was ist der genaue Unterschied zum Mitgefühl?
Das Mitgefühl ist mit dem eigenen exzellenten Selbstmitgefühl verbunden – ein Zustand des Seins wie Menschen gerne sein möchten. Mitgefühl zeigt eine befreite und dauerhafte Emotions- und Motivationsqualität als die Empathie.
Mitgefühl ist demnach aus einem anderen Gewebe – Teile der Basalganglien – gemacht. Es ist das Gewebe der Liebe, Güte, Großzügigkeit, Gelassenheit, Weisheit, Verbundenheit, Vergebung, Wärme, Geborgenheit, Offenheit, Teamtreue, Kontakt, Freundschaft, Bindung bzw. der Beziehungen. Letztlich alle kollektiven Werte, die normalerweise im Team für ein gutes Zusammenarbeiten genannt werden. Es ist ein rundum tragendes Gefühl für sich selbst und für andere.
Sind die als Basis gegeben, können andere Werte wie Potenzialentfaltung, die aus dem Antriebssystem kommen, ohne weiteres generiert werden. Jeder zeigt, was er kann und kann mit seinen Schwächen positiv umgehen.
Wer den „empathischen Stress“ aus dem Alarmsystem in sein eigenes Mitgefühl verwandelt, reagiert aus einem qualitativ höheren emotionalen Zustand, als wenn er in seiner cortisolangereicherten Selbstempathie (Wut, genervt sein, verärgert, sauer sein …) verharrt.
Praxistipps für Empathie:
1. Empathisches Abgrenzen
„Nein“ sagen lernen mit einer sozial verträglichen Begründung.
2. Kollektive Werte durch die spielerische Erfahrung mit dem Band herausarbeiten
Den Schmerz der Ausgrenzung sichtbar machen. Jemand aus dem Band herausnehmen.
3. Mit Gefühlsbällen über die Gefühle hinter den Gefühlen reden
Kind sagt: Da habe ich ein „komisches“ Gefühl gehabt. Wie fühlt sich dieses komische Gefühl an? Wie fühlst du dich, wenn du dich komisch fühlst?
4. Mit Gefühls- und Wertekarten ein Gefühls- und Wertevokabular aufbauen
Ziel: sich und andere besser kennenlernen. Gefühle nach stimmig (primär) und unstimmig (sekundär) sortieren.
5. Werte sammeln und Ich-Sätze dazu bilden.
Beispiel: Selbstwertschätzung: Ich bin wertvoll, auch wenn andere mich beleidigen. Wie wollen wir gemeinsam miteinander umgehen?
6. Worte tun im Herzen weh
Welche tun weh und welche nicht?
7. Wörter verbrennen
Welche unschönen Wörter können wir in der Einrichtung sinnbildlich „verbrennen“, weil sie Erwachsene und Kinder verletzen?
¹Max-Planck-Institut, „Mitgefühl in Alltag und Forschung“ ²www.ressource-project.org